Herkommen und Adel der Familie v. Krosigk
Der Sachsen-Spiegel zählt in der "Vorrede von der
Herren Geburt", welche mit dem darauf folgenden Werke als gleich
authentisch angesehen wird, die edelsten Geschlechter der Sächsischen Lande
unter Anführung ihrer Herkunft auf. "Die Landgrafen von Thüringen
sind Franken, die Grafen von Reinstein, der von Blankenburg u. s. w. und die
von Krosigk sind alle Franken"
Es gehörten demnach die Ahnen der uns urkundlich bekannten
Krosigks wohl zu den edlen Familien, welche zur Zeit Karls des Großen, nachdem
sie mit ihrem Geleit tätigen Anteil an der Unterwerfung derselben genommen,
in die Sächsischen Lande zum Schirm des christlichen Glaubens und zur Wahrung
der Grenzen des Reiches einzogen. Die bedeutenden Güter, welche
Gunzelinus von Krosigk im Anfang des 13ten Jahrhunderts verkaufte, und die in
Gerichtslehen zu dem Bisthum Halberstadt standen, mögen wohl bei dessen
Errichtung einem Vorfahr jenes Gunzelin zum Schutze des Bischofsitzes verliehen
worden sein. Die Burg und Besitzungen am Petersberg, die noch heut den
Namen der Familie führen, jedoch schon Mitte des 13ten Jahrhunderts von
Johannes von Krosigk an den Erzbischof Wübrandus von Magdeburg übergingen,
dienten wohl lange Zeit als Vormauer und Bollwerk gegen die kaum dem Namen nach
unterworfenen wendischen Völker jenseits Elbe und Oder; vielleicht, dass ein
Ahnherr der Familie, als Karl des Grossen Sohn, der Feldherr des Vaters, nach
seinem glänzenden Heerzug gegen den Slaven-Herzog Milidnoch im Jahre 806 im
Ufer der Saale in der Gegend des nachmaligen Halle eine Burg erbaute, in deren
Nähe eingesetzt und ausgestattet wurde.
Auf den Fränkischen Ursprung der Familie gestützt, haben
Forscher und Schriftsteller des vergangenen Jahrhunderts dieselbe noch weiter
hinauf und in ihre früheren Stammsitze verfolgen wollen und die Orte Croissy,
Croisic, eine Landschaft und Flecken am Ausfluss der Loire, als deren
ursprüngliche Heimat bezeichnet; sie habe zu Karls des Grossen Zeit die Burg am
Petersberg gebaut und derselben ihren Namen gegeben. Da jedoch fest
steht, dass zu jenen Zeiten Familiennamen noch gar nicht existierten, sondern
dieselben erst im 11ten und 12ten Jahrhundert entstanden, und es auch dann noch
lange Zeit währte, ehe dieselben die rechtliche Stätigkeit und
Unveränderlichkeit annehmen, an die wir heut zu Tage gewöhnt sind, so führe ich
obige Vermuthung eben nur an, da sie mir verschiedene Male vorgekommen ist und
in früheren Zeiten als nicht unglaubwürdig hingestellt wurde.
Der erste geschichtlich festgestellte Krosigk ist Dedo von
Crozuc, welcher schon im Jahre 1040 lebte. Von ihm lässt sich der Lauf der
Familie in ununterbrochener Linie bis zu den jetzt lebenden Generationen
nachweisen.
Aus verschiedenen Momenten: 1. aus geschichtlichen
Thatsachen, aus der Machtstellung und dem Einfluss der uns bekannt gewordenen
Mitglieder der Familie; 2. aus Zeugenaufruhrungen und Unterschriften unter
Urkunden und Dokumenten sowie 3. aus Erwähnung durch Schriftsteller, welche der
Zeit und dem Ort der Handung nahe lebten, geht unzweifelhaft hervor, dass die
Familie Krosigk von den frühesten Zeiten zum hohen Adel zählte und sich auch
nie dieses Ranges durch Eintritt in ein Ministerialverhältniss oder durch
Heirath mit einer Unfreien begeben hat. Die folgenden Beispiele mögen als
Belag zu den oben angeführten Beweisgründen dienen.
Zu 1. Dedo von Krosigk gab im Jahre 1116 dem von Kaiser
Heinrich V. vertriebenen und geächteten Markgraf Wiprecht von Groitsch gegen
Jenen Asyl und Aufenhalt, was auf eine Macht und Stellung schliessen lässt, die
mit dem niederen Adel unvereinbar scheint.
Die Bischöfe Dietrich und Konrad von Halberstadt, welche
Ersterer von 1180 bis 1193, Letzterer von 1201 bis 1209 regierten, werden ab
aus dem erlauchten - illustri - Hause der Krosigk bezeichnet. Der
furstliche Rang, der mit dieser Stellung verbunden war, liess zu derselben
vorzüglich zu jener Zeit, nur Personen hoher Geburt erwählen, die durch eigene
Macht, durch Anhang und Sippschaft die geistlice Würde nachhaltig zu
unterstützen vermochten.
Im Jahre 1209 finden wir Friedrich von Krosigk als Vorsitzer
am Gerichte zu Wettin in Stellvertretung des abwesenden Grafen Ulrich von
Wettin. Nur Freie konnten überhaupt zu Gericht sitzen und die
Stellvertretung eines Wettin, des Ahnen und Stammvaters des jetzt regierenden
Sächsischen Könighauses so wie der heutigen Thüringischen Fürstenlinien konnte
nach der damaligen Auffassung wohl nur dem Mitgliede eines der angesehensten
Geschlechter zufallen.
Auch die Wahl der Pröbstin Bertradis von Kroßigk im Jahre
1224 zur gefürsteten Aebtissin von Quedlinburg ist von Gewicht, da dieses Stift
ursprünglich nur zur Versorgung für Töchter des Kaiserhauses errichtet, nach
den bis auf uns gekommenen Listen der Aebtissinnen bis zu jener Zeit nur dem
hoben Adel zugängig war.
Im Jahre 1410 verbanden sich Friedrich und Wilhelm,
Markgrafen von Meissen, mit Fürst Albrecht III. und Fürst Bernhard dem Aelteren
von Anhalt auf 6 Jahr gegen die von Wulfen, von
Krosigk und von Schierstädt.
In den Lehnbriefen und noch bis in das 17te Jahrhundert
hinein wird den Krosigks die Gerichtsbarkeit "über Hals und Hand in Dorf
und Feld" ertheilt, und noch in den Jahren 1637 und 1652 richtet der
Krosigksche Scharfrichter zu Hohen-Erxleben zwei Mörder wenige Tage nach
verübtem Verbrechen hin.
Zu 2. Urkunden und schriftliche Dokumente reichen in den
Gegenden zwischen Elbe und Weser mit geringen Ausnahmen nur bis gegen das 11te
Jahrhundert hinauf, gerade bis zu der Zeit, wo das Ministerialwesen in voller
Bedeutsamkeit war, und streng sich der hohe und freie Adel von dem eben
entstehenden Ministerial- und Beamten-Adel schied. Bei der skrupulösen
Genauigkeit, mit welcher in jener Zeit alle Schriftstücke abgefasst und die
Rangverhältnisse der anwesenden Personen beachtet wurden, lässt sich aus den
Zeugenauffährungen, deren Rubrizirung, und Reihenfolge leicht der Rang und die
Stellung der verschiedenen Personen und Familen abnehmen, und, wie bereits in
obiger Einleitung angeführt, ist die Bezeichnung als nobilis unter Urkunden bis
in das 13te Jahrhundert hinein ausachliesslich und im Gegensatz zum niederen
und Mnisterialadel, das Recht der Dynasten- und zum hohen Adel gehörigen
Geschlechter. In einer Urkunde vom Jahre 1143, welche Kaiser Conrad, eine
Stiftung seines Vorgängers Kaiser Lothar bestätigend, dem Kloster Kamenitz
ertheilt, und unter welcher Ministerialen überhaupt nicht aufgeführt werden,
ist Guncelinus de Crozuk in Mitten anerkannt dynastischer Familien namhaft
gemacht. Als nobilis finden wir häufig, nirgend aber eines Krosigk als
Ministerial erwähnt.
So wird in einem Konfimationsbrief des Markgraf Konrad von
Meissen an das Kloster Petersberg vom 30. November 1156 Guncelinus de
Crozuch et Adelbertus filius ejus als Zeuge unter den nobiles aufgeführt und
zwar vor den Grafen Mansfeld und Falkenstein, welche anerkannt zum hohen Adel
gehörten.
Ein Tauschbrief des Markgraf Dietrich von der Lausitz mit
dem Kloster Niemegk, datirt vom 31. April 1161, fuhrt ab Zeugen unter den
nobiles auf, Adelbertus de Crozuc, Dedo frater ejus, und das unmittelbar hinter
den Burggrafen von Wettin, dem mächtigsten hochadlichen Geschlecht jener
Gegend.
Nochmals finden sich dieselben Adelbertus de Cruzuc et
frater ejus Dedo unter den Zeugen als nobiles namhaft gemacht unter einem
Schenkungsbrief des Markgraf Albrecht zu Brandenburg an das Kloster zu
Neuenwerk vor Halle im Jahre 1163.
1181 werden Dedo, Friederich, Guncelin de Crozuc unter den
Nobiles namhaft gemacht, in einem Dokument, welches bisher noch nicht gedruckt,
in der Beilage No. 23. wörtlich wiedergegeben ist.
In einer Urkunde vom Jahre 1197 des Graf Albrecht von
Wernigerode wird Guncelinus de Crozuc als nobilis außen Dedo von Krosigk wird
vom Bischof Gardolphus von Halberstadt in einer Schenkungsbestätigung vom Jahre
1200 wiederholentlich vir nobifis genannt.
1208 tritt Gunzelinus de Crozuc, frater Episcopi
Halberstadensis als Zeuge bei einem Kaufvertrage zwischen den Klöstern
Reinsdorf und Stornburg unter den Laici-Nobiles auf.
In der Urkunde Kaiser Friedrich II. vom 14ten Mai 1216,
worin er dem Erzstift Magdeburg das Schloss Schöneburg wiederum abtritt, steht
Gunzelin von Crozuc unter den Nobiles.
Aus dem 13ten und 14ten Jahrhundert finden sich nur wenige
Dokumente, in welchen Mitglieder der Krosigkschen Familie als Zeugen aufgeführt
werden und geschieht es dann mit dem Titel Ritter - eques, - zu welcher in
jener Zeit hochgeschätzten Würde zwar im Anfang nur der hohe, bald jedoch auch
der niedere Adel gelangen konnte, und giebt daher diese Bezeichnung keinen
sichern Anhalt für Beurtheilung des Adelsranges der Familien. Aber auch
gerade darin, dass der Name Krosigk in jener Zeit aus den Urkunden fast
gänzlich verschwindet, scheint mir ein Beweis zu liegen, daso die Familie sich
von der Ministerialität fern zu halten wusste; als unabhängig und frei wurde
sie als ferner stehend, zu dergleichen Akten wohl selten oder nie herangezogen,
da die Ministerialen der einen oder anderen Parthei mehr zur Hand, oft wohl
auch als abhängig, wünschenswerther sein mochten.
Zu 3. Von Schrifstellern älterer und neuerer Zeit die der
Krosigks der Art erwähnen, um daraus auf den Adelsrang der Familie schliessen
zu können, nimmt wohl die erste Stelle der Verfasser des Chronicon montis sereni
ein. Obgleich dem Namen nach unbekannt, muss derselbe den gründlichsten
Forschungen nach ein Geistlicher des Kloster auf dem Petersberge gewesen sein
und jenes Werk, welches Adelung neben den Dithmar als schätzbarstes
Geschichtsbuch für jene Zeit und Gegend hinstellt, spätestens um das Jahr 1225
beendet haben. Gleich auf Seite 9 der Mäderschen Ausgabe nennt diese
Chronik den Nobilem Fridericum de Crozuc, welchem im Laufe einer Legende die
hohe Gerichtsbarkeit zuertheilt wird. Zum Jahre 1210 erzählt sie, wie zur
Schlichtung von Streitigkeiten im Kloster auf dem Petersberge, bei denen der
Verfasser demnach, wenn nicht betheiligt, doch gegenwärtig gewesen sein muss,
der Markgraf Dietrich von Meissen daselbst eingetroffen sei und mit ihm drei
Nobiles: Guncelinus de Crozuc, Conradus de Sane und Burchardus de Mausfeld,
wobei der Crozuc jenen beiden, anerkannt dem heben Adel angehörenden Personen
voransteht. Da nun der Verfasser dieser Chronik in unmittelbarster
Nachbarschaft der Krosigkschen Besitzungen lebte, und ihm die Verhältnisse der
Familie bekannt sein mussten, so erhellt, dass man dieselbe zum hohen Adel
rechnete.
Der Halberstädter Chronist, dessen Werk mit dem Jahre 1209
abschliesst, erwähnt unter Anderem, dass bis zu seiner Zeit die Feier des
Palm-Festes seitens der Halberstädter Geistlichkeit im Quedlinburger Stift
stattgefunden habe. Den Stiftsurkunden nach gelang es noch der Aebtissin
Sophie von Quedlinburg sich im Jahre 1224 von dieser mit Lasten und Kosten
verbundenen Verbindlichkeit zu entledigen und lässt sich daher sicher
schliessen, dass die Halberstädter Chronik vor jenem Jahr 1224 geschrieben
sei. Dieser Chronist nun nennt den Bischof Conrad von Halberstadt aus
erlauchtem Hause stammend, welche Bezeichnung unbedingt nur einer dem hohen
Adel zugehörigen Familie beigelegt werden konnte.
Hoppenrod, Pfarrherr zu Heckstedt sagt in seinem 1570
gedruckten Stammbuch unter dem Artikel Alsleben: "Die Edelen Junker von
Krosigk haben Alsleben unter ihrer Regierung und
besitzen es mit gutem Frieden." Nach Scheidt. "Vom hohen und niederen
Adel" Seite 16 brauchte man im 15ten und 16ten Jahrhundert den Ausdruck
"Edele Junker" vorzugsweise von den Dynasten- und
Freiherrn-Geschlechtern und da Hoppenrod in jener Zeit lebte, Alsleben so nah
wohnte und ein gründlicher genealogischer Sammler ist, kann man dessen Angabe
wohl für eine vollgültige Quelle annehmen.
Meibomius, welcher freilich hundert Jahr später lebte,
erzählt, "Die Familie Krosigk hatte ihre Stelle in der Reihe der
erleuchten Dynasten und Freiberren und gab dem heiligen Römischen Reiche einige
Kirchen-Fürsten."
Fasst man diese Beweisstücke zusammen, so kann es keinem
Zweifel unterliegen, dass die Familie der Krosigks schon seit der ersten
Konsolidirung der staatlichen Verhältnisse ihrer Heimath zu den Geschlechtern
der Dynasten und geborenen Freiherren, d. h. zum hohen Adel gehörte und dass
sie diesen Rang lediglich ihrer, aus der historischen Entwickelung jener
Gegenden sich für sie ergebenden Machtstellung, in keinerweise aber der
späteren Erfindung besonderer, urkundlicher Verleihungen verdankte, einer
Erfindung, welche im Lauf der Zeiten zu der gegenwärtig so allgemein
verbreiteten Sitte der Adeleerhebungen durch den Landesherren geführt
hat. Im Gegensatz zu diesen letzteren gehört vielmehr die Familie zu dem
ursprünglichen, zu dem Adel von Gottes Gnaden in derselben Weise und mit
demselben Rechte wie es Könige von Gottes Gnaden, leider auch von Kaisers und
von Volkes Gnaden gegeben hat und giebt.
Diese hervorragende politische Stellung hat die Familie sich
in den späteren Jahrhunderten allerdings nicht zu erhalten vermocht, indem sie
sich der wachsenden Macht und dem Territorialeinfluss der einzelnen, innerhalb
des grösseren Reichsverbandes sich bildenden selbstständigen Staaten auf die
Dauer nicht entziehen konnte. - Bald schwangen sich einige, durch Reichthum und
Macht besonders ausgezeichnete Familien jenes der Natur der Sache nach in nicht
unbeträchtlicher Anzahl vorhandenen hohen Adels auf mehr oder weniger selbständige
Fürstensitze, indem sie einerseits dem hauptsächlich auf ihre Unterstützung
angewiesenen und schon durch die wiederkehrenden Wahlen von ihnen abhängigen
Reichsoberhaupt wirkliche Hobeitsrechte zu entwinden wussten, andrerseits aber
auch, namentlich nach glücklich geführten Fehden, ihre Herrschaft den eigenen
Standesgenossen gegenüber ausdehnten. So wurde denn bald der gesammte
übrige Adel, mochte derselbe nun seinen Rang aus ursprünglicher Berechtigung
oder aus späterer Gnadenverleihung herleiten, in seinem Verhältnis zum
Landesherren mehr und mehr nur noch als Eine mit gleichen Rechten und Pflichten
ausgestattete Klasse von Standesgenossen angesehen, doch wurde namentlich bei
öffentlichen Akten der Unterschied zwischen beiden Adels-Kathegorien durch Rubrizirung
derselben noch lange festgehalten.
Quelle : Krosigk, Rudolph, von : Nachrichten zur Geschichte des Dynasten-
und Freiherrn Geschlechts von Krosigk, Berlin 1856